Daniel Brunner: Mein Blog: Posts tagged 'Politik'urn:https-www-dbrunner-de:-tags-Politik-html2022-05-14T14:07:46ZDas Schmeicheln des Regierungsapparatesurn:https-www-dbrunner-de:-blog-2022-05-14-das-schmeicheln-des-regierungsapparates2022-05-14T14:07:46Z2022-05-14T14:07:46ZDaniel Brunner
<p>Nach meinem Studium war ich einige Zeit im politikberatenden Bereich tätig. Zumeist im Bereich Wohnen, Wohnungsgenossenschaften im Dunstkreis des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie des Bundestamts für Bauwesen und Raumordnung. Zwischendrin gab es auch eine kleine Zuarbeit für ein Projekt zur Regionalpolitik in der Ukraine, das im Geschäftsbereich des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der damaligen Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) angesiedelt war.</p>
<p>Ich empfand die Diensreisen nach Berlin (und einmal auch in die Ukraine), den Austausch mit Ministerialen, Interessengruppen etc. sehr lehrreich und spannend.</p>
<p>Am meisten hatte mich beeindruckt, als ich als ganz frischer Absolvent einen meiner Hochschullehrer auf einer Sitzung vertreten sollte und mich ein Ministerialrat interessiert mit “Und was meinen Sie dazu?” in das Gespräch eingebunden hatte. Und, der war ehrlich an meiner Meinung interessiert.</p>
<p>Kurzum, ich fühlte mich vom Interesse und den Fragen zu einem guten Stück auch geschmeichelt.</p>
<p>Erst viele Jahre später wurde mir klarer, dass ich mich nicht nur mit den Fragen meines Gegenübers beschäftigten sollte, sondern auch umgekehrt mit der Frage: Warum fragt diese Person <em>mich</em> das? Warum haben gerade <em>wir</em> dieses Beratungsprojekt erhalten?</p>
<p>Oder anders gewendet: Gerade als Berater und Sachverständiger trainiere ich heute an einer gewissen Nüchternheit und Abgeklärtheit. Wobei man auch hinzufügen muss, dass ich nach den Episoden Anfang der 2000er Jahre nicht mehr im politikberatenden Bereich tätig war.</p>Zitat des ehemaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden M.urn:https-www-dbrunner-de:-blog-2018-11-01-zitat-des-ehemaligen-stellvertretenden-fraktionsvorsitzenden-m2018-11-01T08:31:03Z2018-11-01T08:31:03ZDaniel Brunner
<p>Zur Illustration des Zusammenspiels von Poltik und Wirtschaft und den Einstellungen von führenden Politikern zu Interessenkonflikten gibt es in einer <a href="https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/07/es20070704_2bve000106.html">Entscheidung</a> des Bundesverfassungsgerichts einen schönen Beleg. Hintergrund war die Organklage von neun Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegen § 44a Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes. In diesem ist festgelegt, dass die Abgeordnetentätigkeit im Mittelpunkt der Tätigkeit steht. Darüberhinaus wehrten sich die Antragsteller gegen die Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte. Im Ergebnis wurden die Anträge am 4. Juli 2007 zurückgewiesen. In der Begründung findet sich ab Randnummer 225 ein bemerkenswertes Zitat eines Antragstellers und eine erhellende Einschätzung des Gerichts hierzu.</p>
<!-- more-->
<p>Der Antragsteller zu 5), in der Entscheidung mit “M.” abgekürzt, laut Randnummer 225 ehemaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, erläuterte in der mündlichen Verhandlung, weshalb die Verpflichtung zur Offenlegung ihm nicht zuzumuten sei (Randnummer 226):</p>
<blockquote>
<p>Ich gehöre heute einer großen internationalen Anwaltssozietät an. Ich bin in dieser Sozietät auf, wie wir es etwas salopp sagen, ein halbes Dezernat gesetzt, das heißt, von mir wird nur die Hälfte der Arbeitszeit erwartet, die auch von den übrigen Partnern gleichen Status´ erwartet wird. Würde ich ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag, würde ich auf einen normalen Partnerstatus angehoben, mit entsprechenden Auswirkungen auf meine Einkünfte. … Wir haben das Mandat für den Börsengang der RAG. Dieses Mandat haben wir bekommen, erstens weil wir es können, zweitens weil fast alle anderen großen Kanzleien conflicted waren, und drittens, weil ich in der Kanzlei bin. Aber in der Reihenfolge. Dieses Mandat haben wir bekommen im Frühjahr 2004, zu einem Zeitpunkt, wo über die Frage, ob dieses Unternehmen jemals an die Börse geht, überhaupt noch nirgendwo nachgedacht worden ist, außer in einem ganz kleinen Kreis in dem Unternehmen unter unserer Beteiligung. Wenn ich zu dem damaligen Zeitpunkt den Verhaltensregeln von heute unterlegen hätte, hätte ich veröffentlichen müssen - oder angeben müssen, zunächst dem Bundestagspräsidenten, und der hätte veröffentlichen müssen – die Tatsache, dass ich einen Börsengang begleite, mit einer Branchenbezeichnung eines Unternehmens, das im Bereich der Chemieindustrie, der Kraftwerksindustrie und der Kohleförderung tätig ist. Da hätte niemand in Deutschland irgendwo googlen müssen, um festzustellen, um welches Unternehmen es sich handelt. Das Thema wäre sofort erledigt gewesen; ich hätte dieses Mandat entweder gar nicht annehmen dürfen, und wenn ich es angenommen hätte und den heute geltenden Regeln hätte nachkommen wollen und müssen, hätte ich unmittelbar danach das Mandat entzogen bekommen. … Was habe ich daraus für Konsequenzen gezogen? Ich habe sehr frühzeitig wenigen Kollegen, aber Kollegen, die es wissen mussten, gesagt, dass ich mich an einer möglicherweise stattfindenden Gesetzgebung zum Thema Steinkohleausstieg nicht beteiligen werde, weil ich – ich habe meine Meinung zu dem Thema nie geändert, auch im Zuge dieses Mandats nie geändert, aber weil ich den Anschein eines Konflikts vermeiden will, von vornherein erklärt, ich werde mich an Gesetzgebung zu diesem Thema nicht beteiligen, stehe aber gerne zur Verfügung, dem einen oder anderen auch den einen oder anderen Hinweis zu geben, was wir da eigentlich vorhaben. …</p></blockquote>
<p>Hierzu schreibt das Gericht (Randnummern 227–228):</p>
<blockquote>
<p>Der Antragsteller zu 5) hat damit nicht nur deutlich gemacht, was ohnehin offensichtlich ist, dass nämlich die Mitarbeit eines Mitglieds – besonders einen prominenten Mitglieds - des Deutschen Bundestages in einer Rechtsanwaltskanzlei für diese und für die potentiellen Mandanten mindestens unter anderem deshalb von Interesse ist, weil man sich von dessen politischen Erfahrungen, Verbindungen und Einflussmöglichkeiten etwas verspricht. Er hat auch dargestellt, dass die mit der Übernahme des geschilderten Mandats verbundene Interessenkonstellation ihn veranlasst hat, als Bundestagsmitglied einzelnen Kollegen gegenüber eine Art - parlamentsrechtlich nicht vorgesehener - Befangenheitserklärung dahingehend abzugeben, dass er sein Abgeordnetenmandat in der betreffenden Angelegenheit nicht mehr beziehungsweise nicht mehr in regulären Sitzungen, sondern nur noch in Hintergrundgesprächen mit dem “einen oder anderen” ausüben werde.</p>
<p>Diese Schilderung verdeutlicht den guten Sinn einer gesetzlichen Regelung, die klarstellt, dass im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordneten das Abgeordnetenmandat zu stehen hat und der Abgeordnete daher verpflichtet ist, konkrete Interessenkonflikte, die sich für ihn aus entgeltlichen Tätigkeiten außerhalb des Mandats ergeben, durch Nichtübernahme der konfliktbegründenden Tätigkeit statt durch Nichtausübung des Mandats zu vermeiden.</p></blockquote>
<p>Ich finde, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.</p>Wie das Haus von Bundesministerin Nahles mauerturn:https-www-dbrunner-de:-blog-2014-11-21-wie-das-haus-von-bundesministerin-nahles-mauert2014-11-21T09:39:08Z2014-11-21T09:39:08ZDaniel Brunner
<p>Ein Gesetzesvorhaben der großen Koalition ist eine Regelung zur Tarifeinheit. Passend in die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn zeigte Bundesministerin Nahles Entschlossenheit und Tatkraft:</p>
<!-- more-->
<p>Am 28. Oktober 2014 <a href="http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Meldungen/gesetzentwurf-tarifeinheit.html;jsessionid=FB47DA2A8F96F14200ECE524ACBD96BC">informierte sie</a> die Presse über den Gesetzentwurf ihres Hauses zur Tarifeinheit. Dieser solle in die Ressortabstimmung gehen und am 3. Dezember im Kabinett verabschieden werden. Den Abschluss des parlamentarischen Verfahrens erwartete Frau Nahles für den Sommer 2015.</p>
<p>Über die Vorstellung und den Inhalt des Entwurfs berichtete ausführlich in zwei Berichten die FAZ (<a href="http://www.faz.net/-i2k-7vmd0">hier</a> und <a href="http://www.faz.net/-gqg-7vng9">hier</a>). Den Berichten nach fand ein Gespräch der FAZ mit der Bundesministerin statt. Der FAZ lag der Referentenentwurf vor. Den Berichten ebenfalls zu entnehmen war, dass sozialpolitische und arbeitsrechtliche Interessenverbände wie die Bundesvereinigung der Arbeitgeber und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund über den Entwurf verfügten, diese genannten sogar an “der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt” waren (Zitat aus dem FAZ-Bericht).</p>
<p>Ich bin ja skeptisch, wie man das, was die Koalition sich da vorgenommen hat, regeln kann. Also dachte ich mir: Wenn die Zeitung davon weiß, die Interessenverbände mitgearbeitet haben und auch denen der Entwurf vorlag und dann die Bundesministerin auch noch hierüber Pressegespräche führt und den Entwurf öffentlich “vorstellt”, dann kann ich da ja auch einmal einen Blick hineinwerfen. Ich habe, da ich den Entwurf nicht auf der Homepage entdeckte, diesen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angefordert.</p>
<p>So einfach geht es aber nicht: Es antwortete mir am <em>29. Oktober 2014</em> das “Kommunikationscenter” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wie folgt:</p>
<blockquote>
<p>Sollten Sie (…) den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit meinen, so müssen wir Ihnen mitteilen, dass dieser noch nicht veröffentlicht wurde. Er geht in Kürze in die Ressortabstimmung und kann erst danach veröffentlicht werden.</p></blockquote>
<p>Ich wies in einer Antwort darauf hin, dass das ja nicht so ganz sein könnte, dass die Tarifparteien, interessierte Verbände und die Presse den Entwurf vorliegen hätten, der gemeine Bürger sich aber mit der Presseerklärung der Bundesministerin (ein MP3-File mit 2:36 Minuten Länge) bescheiden müsse. Am <em>30. Oktober 2014</em> teilte das Kommunikationscenter mit, dass sie die Anfrage an die Fachabteilung weitergeben wollten, dafür aber noch meine Postanschrift benötigten. Diese habe ich umgehend übermittelt. Es passierte erst einmal nichts. Am <em>4. November 2014</em> wollte ich dann den Stand wissen (es kann ja nicht so schwer sein, ein PDF per E-Mail zu versenden) und außerdem, welche Fachabteilung dafür zuständig ist (dann kann man das ja schnell per Telefon oder E-Mail klären). Nichts passierte. Am <em>7. November 2014</em> habe ich dann noch mal erklärt, dass ich den Entwurf wirklich möchte und die Anfrage formal auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützt. Nun wachte das Kommunikationscenter am <em>10. November 2014</em> auf und teilte mit, dass sie die Anfrage an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet hätten. Welche das ist, mochte man mir aber immer noch nicht mitteilen.</p>
<p>Das war es dann wieder, das Bundesministerium verfiel erneut in Stille. Seit dem sind zwei Wochen vergangen.</p>
<p>Da mich der Entwurf wirklich interessierte, habe ich einmal einen Interessenverband angeschrieben und nach ca. einer Stunde erhielt ich den Entwurf.</p>
<p>Ich stelle mir da ja schon einige Fragen: Was ist eigentlich so schwer daran, einen Referentenentwurf, den man ohnehin breit hat zirkulieren lassen, einem Bürger zur Verfügung zu stellen? Warum antwortet die Fachabteilung über einen Zeitraum vom 4. November 2014 bis heute einfach gar nicht?</p>
<p>Mir drängt sich jedenfalls der Eindruck auf, dass das Ministerium von Frau Nahles die Diskussion gestalten möchte. Dabei soll wohl die Bundesministerin als zupackende und problemlösende Politikerin dargestellt werden. Hierzu werden Verbände und Medien exklusiv mit Details versorgt. Der gemeine Bürger soll sich davon beeindrucken lassen und bloß nicht nach Details fragen; die erfährt er dann schon, wenn die Politik und Ministerialverwaltung es für geboten halten.</p>
<p>P.S.: Ich weiß, dass Referentenentwürfe normalerweise nicht auf der Homepage erscheinen und Gesetzesvorhaben vorab mit Verbänden diskutiert werden. Ich halte das auch grundsätzlich für sinnvoll. Ich habe aber bisher noch nicht ein solches “Mauern” erlebt. Bisher erhielt ich dort, wo ich angefragt hatte, immer ohne Schwierigkeiten Auskunft.</p>
<p><strong>Update (01. Dezember 2014):</strong> Zwischenzeitlich habe ich den Referentenentwurf für jedermann zum Download bei der taz gefunden: <a href="http://taz.de/static/pdf/ReferentenentwurfTarifeinheit.pdf">PDF</a></p>
<p><strong>Update (13. Dezember 2014):</strong> Am 11. Dezember 2014 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit <a href="http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Kabinettssitzung/2014/12/2014-12-11-kabinett.html?nn=434518">beschlossen</a>, er findet sich nun <a href="http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/Tarifeinheit-staerkt-sozialpartnerschaft.html?nn=31846">auf der</a> Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: <a href="http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsrecht/entwurf-gesetz-tarifeinheit.pdf?__blob=publicationFile">PDF</a> Wenig erstaunlicherweise habe ich auf meine Anfrage vom 29. Oktober 2014 außer den oben dargestellten Nachrichten des “Kommunikationscenters” nichts gehört.</p>Warten auf den technischen Fortschritt als politisches Prinzip?urn:https-www-dbrunner-de:-blog-2014-11-13-warten-auf-den-technischen-fortschritt-als-politisches-prinzip2014-11-13T08:53:28Z2014-11-13T08:53:28ZDaniel Brunner
<p>Am 12. November 2014 sendete der <a href="http://www.deutschlandfunk.de">Deutschlandfunk</a> in der Reihe “Hintergrund” einen <a href="http://www.deutschlandfunk.de/energetische-sanierung-widerstand-gegen-das-daemmen-waechst.724.de.html?dram:article_id=303005">Bericht</a> über die energetische Sanierung mit Wärmedämmverbundsystemen.</p>
<p>Zu der Diskussion wollte sich die zuständige Bundesministerin Barbara Hendricks nicht äußern, das Thema sei nur ein Randthema und sie habe andere Prioritäten. Sehr interessant waren dafür dann die Meinungen des sie vertretenden Staatssekretärs <a href="http://www.bmub.bund.de/bmub/leitung-des-hauses/lebenslauf-von-herrn-gunther-adler/">Gunther Adler</a>.</p>
<p>In diesem Blogpost will ich auf einen Aspekt des Berichts eingehen. Es sei wohl so, dass die Entsorgung von Wärmedämmverbundsystemen (also im Wesentlichen auf verschiedene Arten behandeltes Polystyrol) schwierig ist. So wird gesagt:</p>
<blockquote>
<p>“Das große Problem ist gerade bei der Polystyrol-Dämmung, dass die Lebenserwartung der Dämmplatten relativ gering ist. Man geht davon aus, dass sie 20 oder 30 Jahre an der Fassade bleiben können, dann ersetzt werden müssen.”</p></blockquote>
<p>Über die Entsorgung wurde gesagt:</p>
<blockquote>
<p>“Das Dämmmaterial Polystyrol darf nicht auf die Mülldeponie, unter anderem wegen der erwähnten Flammschutzmittel. Das Material soll in Müllverbrennungsanlagen vernichtet werden, …”</p></blockquote>
<p>Auf diese Thematik angesprochen, entgegnete der Staatssekretär unter anderem:</p>
<blockquote>
<p>"… da gibt es berechtigte Fragen, da gibt es auch nichts unter den Tisch zu kehren. Da gibt es im Moment noch Forschungsbedarf."</p></blockquote>
<p>Die DLF-Redakteure wiesen hier jedoch darauf hin, dass das Material seit Langem eingesetzt würde. In den vergangenen 35 Jahren seien 900 Millionen Quadratmeter Wärmedämmverbundsysteme verbaut worden, davon 80 Prozent mit Polystyrol. Hierauf der Staatssekretär:</p>
<blockquote>
<p>“Wenn wir da schon heute die Forschung anlaufen lassen und fragen, was passiert eigentlich in 30 oder 40 oder 50 Jahren, wenn das dann mal in die Müllverbrennungsanlage geht, da sollten wir doch offen für technischen Fortschritt in Deutschland sein, dass es unserer Industrie und unserer Forschung gelingen wird, beispielsweise Filteranlagen zu entwickeln, die wirklich garantieren, dass hundert Prozent aller Schadstoffe abgefangen werden.”</p></blockquote>
<p>Ich fasse zusammen: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unterstützt offen das Inverkehrbringen von Stoffen, deren Entsorgung zumindest “offene Fragen” und “Forschungsbedarf” bringt und das Ministerium findet, der technische Fortschritt wird es schon richten. Kurzum, es gilt das Prinzip “Hoffnung auf die Zukunft” und die Last, sich die Entsorgung zu überlegen, bürdet man den nachfolgenden Generationen auf.</p>
<p>Wo sind in diesem Zusammenhang eigentlich die ganzen Papiere und politischen Ansätze zu Nachhaltigkeit, Verantwortung, Schutz zukünftiger Generationen geblieben? Im Übrigen widerspricht die Haltung auch dem vom Bauministerium selbst herausgegebenen <a href="http://www.nachhaltigesbauen.de/leitfaeden-und-arbeitshilfen-veroeffentlichungen/leitfaden-nachhaltiges-bauen-2013.html">Leitfaden Nachhaltiges Bauen 2013</a>, in dem besonderer Wert auf den Lebenszyklus von Gebäuden auch unter dem Gesichtspunkt der Entsorgung von Materialen gelegt wird.</p>
<p>Wenn schon das Thema “Wärmedämmverbundsysteme” nicht die Priorität der Bundesministerin hat, so muss sie sich fragen lassen, ob gerade im Umwelt- und Bauressort das Prinzip “Hoffnung auf die Zukunft” Leitlinie ihrer Politik ist.</p>Schwarz-gelber Subventionsabbauurn:https-www-dbrunner-de:-blog-2011-11-07-schwarz-gelber-subventionsabbau2011-11-06T23:00:00Z2011-11-06T23:00:00ZDaniel Brunner
<p><em>Kleine Vorbemerkung:</em> Im vergangenen Jahr hatte ich mich mehr zufällig als absichtlich mit dem Biersteuergesetz <a href="http://www.dbrunner.de/blog/2010/07/02/vorsicht-vor-den-marginalien-bei-steuervereinfachung-und-subventionsabbau.html">beschäftigt</a>. Es ging hauptsächlich um die Rechtfertigung für die Steuerbefreiung des Haustrunks im Rahmen der Subventionsberichterstattung der Bundesregierung. Diese findet sich seit 1918 in den Regelungen zur Biersteuer und da es sich um eine “Marginalie” handele, sei keine Evaluierung und auch kein Abbau vorgesehen, darüberhinaus bestehen die Gründe für die Einführung (welche waren das noch mal?) weiterhin fort.</p>
<p>Zum 1.7. diesen Jahres trat eine Erweiterung der Umsatzsteuerschuldnerschaft auf steuerpflichtige Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen ab einer Bemessungsgrundlage von 5.000 EUR in Kraft. Dies wollte ich im Original nachlesen.</p>
<p>Also greife ich zur <a href="http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/051/1705127.pdf">Bundestagsdrucksache 17/5127</a>, in der sich der zugehörige Gesetzentwurf befand. Dabei handelt es sich aber um einen Gesetzentwurf zur Änderung von Verbrauchssteuergesetzen. Irgendwie ging es um sprachliche und sonstige der Rechtsklarheit dienende Veränderungen (Umstellung von Steuerentlastungen auf Steuerbefreiungen und so etwas, soweit ich das verstanden habe). Also nichts, was irgendwie mit Mobilfunk oder integrierten Schaltkreisen zu tun hätte.</p>
<p>Die Veränderung der Umsatzsteuerschuldnerschaft wurde, warum auch immer, vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages während der Beratungen noch in dieses Gesetz <a href="http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/055/1705510.pdf">eingeschoben</a>. Diese Huckepackgesetzgebund empfinde ich ja schon immer als etwas merkwürdig.</p>
<p>Aber, so denke ich, wenn ich das schon mal in der Hand habe, dann schaue ich doch einfach einmal nach, ob denn nun wenigstens ein bisschen Subventionsabbau um sich gegriffen hat. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Im <a href="http://www.gesetze-im-internet.de/bierstg_2009/BJNR190800009.html">§ 23 des Biersteuergesetzes</a> findet sich nach wie vor die Steuerbefreiung für den Haustrunk. Na, das war ja nach Bekunden der Bundesregierung ohnehin nur eine Marginalie, woher soll da die Kraft für eine Änderung kommen?</p>
<p><em>Kurzer Nachtrag:</em> Der Gesetzentwurf zur Regelung der Verbrauchsteuern war wohl fraktionsübergreifend gewollt. Jedoch sehr fein folgende Anmerkung im Bericht (Bt-Dr. 17/5510, Seite 4):</p>
<blockquote>
<p>“Die <strong>Fraktion der SPD</strong> hat angeregt, zu einem späteren Zeitpunkt grundsätzlich darüber zu beraten, warum Schnupftabak kein Tabakerzeugnis im Sinne des Tabaksteuergesetzes sei.”</p></blockquote>
<p>Irgendwie erinnert mich das sehr an <a href="http://www.youtube.com/watch?v=EGAEHoMMJgc">dies</a>.</p>Zur Diskussion um ständige und nicht ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsraturn:https-www-dbrunner-de:-blog-2010-07-22-zur-diskussion-um-sta-CC-88ndige-und-nicht-sta-CC-88ndige-mitglieder-im-un-sicherheitsrat2010-07-22T15:06:00Z2010-07-22T15:06:00ZDaniel Brunner
<p><em>Vorbemerkung: Ich hatte noch aus dem März diesen Jahres einen Blog-Eintrag</em> <em>vorbereitet, aber irgendwie nicht die Muße empfunden, ihn endgültig</em> <em>einzustellen. Nachdem nun der deutsche Außenminister Westerwelle bei</em> <em>seinem Besuch in Uganda einen ständigen Sitz für Afrika im</em> <em>UN-Sicherheitsrat</em> <a href="http://springhin.de/bt7F">forderte</a>, <em>habe ich mich doch entschlossen, ihn hier</em> <em>einzustellen:</em></p>
<p>Beim Besuch des deutschen Außenministers Westerwelle in Braslien im März 2010 hat der brasilianische Präsident Lula da Silva dem deutschen Gast ein vergiftetes Kompliment gemacht: Der Sicherheitsrat müsse refomiert werden und Deutschland solle in einem solch umstrukturierten Gremien einen ständigen Sitz erhalten. Man darf getrost davon ausgehen, dass das Gift dieses verpackten Komplimentes darin besteht, dass bei einer Reform des Sicherheitsrates kein Weg an Brasilien vorbei geht, besonders dann nicht, wenn wohl schon Deutschland in die Riege der ständigen Mitglieder aufgenommen werden soll.</p>
<p>In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Artikel aus FAZ vor einigen Jahren; leider ist mir das genaue Datum und der Autor entfallen. Jedenfalls meine ich mich an das Kernargument wie folgt zu erinnern: Wenn mit dem <em>ständigen Sitz</em> insbesondere die Möglichkeit gemeint ist, Beschlüsse des Sicherheitsrates mit einem Veto zu blockieren, so kann diese Recht eigentlich nur denjenigen eingeräumt werden, die im Zweifelsfall auch in der Lage sind, Beschlüsse gegenüber anderen Ländern auch gegen deren Willen durchzusetzen. Und dies betrifft zustimmende Beschlüsse (was nutzt ein Embargo oder ähnliches, wenn man es nicht durchsetzen kann?) aber auch ein Veto, denn auch in diesem Fall muss man beispielsweise notfalls in der Lage sein, ein betroffenes Land, dem man mit einem Veto Unterstützung zukommen ließ, gegen andere Länder militärisch zu verteidigen. Der FAZ-Autor kam seinerzeit zu dem Entschluss, dies könnten nur noch die USA leisten und daher seien sie die einzige legitime Veto-Macht der Vereinten Nationen.</p>
<p>Ein irgendwie gearteter reformierter Sicherheitsrat darf folglich nur solche Länder als Veto-Mächte zulassen, die die Beschlüsse des Gremiums umsetzen können und wollen - und dies in einem globalen und nicht nur regionalen Kontext. Natürlich unter Wahrung ihrer Interessen, das wird man auch einer Veto-Macht immer als legitimen Antrieb einräumen müssen.</p>
<p>Folgt man dieser Logik, dann ist damit auch klar, wer keine Veto-Macht werden sollte, nämlich Deutschland. <sup><a href="#2010-07-22-zur-diskussion-um-stndige-und-nicht-stndige-mitglieder-im-un-sicherheitsrat-footnote-1-definition" name="2010-07-22-zur-diskussion-um-stndige-und-nicht-stndige-mitglieder-im-un-sicherheitsrat-footnote-1-return">1</a></sup></p>
<div class="footnotes">
<ol>
<li id="2010-07-22-zur-diskussion-um-stndige-und-nicht-stndige-mitglieder-im-un-sicherheitsrat-footnote-1-definition" class="footnote-definition">
<p>In diesem Zusammenhang fand ich eine zusammenrecherchierte Zahl der ZEIT instruktiv (vgl. ZEIT Nr. 10/2010 vom 4. März 2010): Die größte Zahl an Soldaten, die man nach derzeitigen Vorgaben gleichzeitig zum Einsatz bringen könnte, betrage 14.000. Dazu bemerkt die Autorin Susanne Gaschke: “Damit kann man Russland nicht erobern, klar.” Dies bei einer Stärke von 253.000 Männern und Frauen (Stand vom 27. Januar 2010, Quelle: <a href="http://www.bundeswehr.de">http://www.bundeswehr.de</a>) <a href="#2010-07-22-zur-diskussion-um-stndige-und-nicht-stndige-mitglieder-im-un-sicherheitsrat-footnote-1-return">↩</a></p></li></ol></div>Kurze Anmerkung zum "Mehr Brutto vom Netto"urn:https-www-dbrunner-de:-blog-2010-07-09-kurze-anmerkung-zum-mehr-brutto-vom-netto2010-07-09T07:51:00Z2010-07-09T07:51:00ZDaniel Brunner
<p>Zur “Reform” (Erhöhung des Krankenkassenbeitrages und Umgestaltung und damit sicherlich Erhöhung des Zusatzbeitrages) des Gesundheitswesens mag ich gar nicht viel schreiben; allerdings habe ich mit großem Interesse das Interview mit Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) im Deutschlandfunk gehört. Es entwickelte sich folgender <a href="http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1218938/">Dialog</a>:</p>
<blockquote>
<p><strong>Gerwald Härter:</strong> Was bleibt denn vom hehren liberalen Grundsatz “mehr Netto vom Brutto”?</p>
<p><strong>Philipp Rösler:</strong> Mehr Netto vom Brutto bezieht sich zunächst einmal auf das Steuersystem, bedeutet aber, dass wir die Mitte in unserer Gesellschaft entlasten müssen, und dazu gehört auch, dass wir stabile Sicherungssysteme auf den Weg bringen, denn ohne stabile soziale Sicherungssysteme kann eine Gesellschaft nicht funktionieren, und wer die Mitte stärken will, der muss den Menschen genau solch ein stabiles System bieten, und das haben wir gestern noch stabiler gemacht und auf den Weg gebracht.</p></blockquote>
<p>Nach einem Blick in das <a href="http://www.deutschlandprogramm.de">Wahlprogramm der FDP</a> scheint das sogar zu stimmen; auf Seite 4 heisst es:</p>
<blockquote>
<p>Die FDP will den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr ihres hart erarbeiteten Geldes belassen. Wir wollen <strong>einfache, niedrige und gerechte Steuern</strong> für mehr Netto vom Brutto.</p></blockquote>
<p>Andererseits ist es schon hinterfragenswert, ob man eine steigende Abgabenlast noch mit dem “mehr Netto vom Brutto” vereinbaren kann. Für den Bürger ist es letztlich am Ende des Monates auch egal, ob das Geld beim Finanzamt oder bei der Krankenversicherung landet: Er schaut als Arbeitnehmer auf seine Gehaltsabrechnung, vergleicht die Werte bei “Brutto” und “Netto” und stellt fest, dass er schlicht weniger Netto vom Brutto hat.</p>
<p>Darüberhinaus habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass man “mehr Netto vom Brutto” auch so deuten kann, dass zur Erreichung irgend gearteter Stabilität “weniger Netto vom Brutto” auch zugleich “mehr Netto vom Brutto” bedeutet. Alles klar soweit?</p>
<p><em>Nachtrag:</em> Zwischenzeitlich ist zum gleichen Thema, etwas breiter angelegt, ein Kommentar von <a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/sparen-mit-schwarz-gelb-die-netto-luege-1.972307">Thorsten Denkler in der Süddeutschen Zeitung</a> erschienen.</p>
<p><em>2. Nachtrag, vom 2010–07–12 Mo:</em> Unter dem Titel <a href="http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,705519,00.html">Merkels Mehr-Netto-Märchen</a> nimmt sich Sven Böll in SPIEGEL Online des Themas “Mehr Netto vom Brutto” an und präsentiert einige Berechnungen.</p>Vorsicht vor den Marginalien bei Steuervereinfachung und Subventionsabbau!urn:https-www-dbrunner-de:-blog-2010-07-02-vorsicht-vor-den-marginalien-bei-steuervereinfachung-und-subventionsabbau2010-07-02T10:54:00Z2010-07-02T10:54:00ZDaniel Brunner
<p>Eine These vorab:</p>
<blockquote>
<p>Unser deutsches Steuersystem ist komplex, es gibt eine Vielzahl von Ausnahme- und Sondertatbeständen. Subventionen und Steuervergünstigungen haben um sich gegriffen. Insgesamt würde dem Steuersystem eine Vereinfachung und ein Kürzen von Subventionen und Steuererleichterungen helfen.</p></blockquote>
<p>Der These können sicherlich viele Bürger zustimmen. Zugegeben, bei der Ausgestaltung und dem Abbau von Subventionen und Steuererleichterungen würde es Diskussionen und Aufschreien der Betroffenen geben. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich einmal, einen Blick in die regelmäßig erscheinenden Subventionsberichte der Bundesregierung zu werfen; allein schon deshalb, um herauszufinden, was aus Sicht der Regierung hier alles als Subvention und Steuererleichterung gilt und welchen Umfang dies ausmacht. Zu beachten ist, dass sich bereits schon an der Frage, was als Steuererleichterung und was als Subvention gilt, Diskussion entzündet. Aber bleiben wir einmal beim Selbstbild der Bundesregierung. Als Bundestagsdrucksache 17/465 hat die Bundesregierung am 15. Januar 2010 dem Bundestag ihren 22. Subventionsbericht für die Jahre 2007 bis 2010 vorgelegt, immerhin ein Konvolut aus 296 Seiten. Ich möchte im folgenden einmal eine besonders kautzige Steuervergünstigung herausgreifen: Nach § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes ist der Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt, von der Biersteuer befreit. Soweit, so sonderbar. Auf Seite 230 findet sich hierzu ein “Datenblatt” (bis zum 20. Subventionsbericht hieß das noch Stellungnahme):</p>
<blockquote>
<p><strong>Lfd.-Nr.</strong> 51
<br /><strong>Bezeichnung der Steuervergünstigung</strong> Befreiung für Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt.
<br /><strong>Ziel</strong> Vergünstigung für Arbeitnehmer
<br /><strong>Rechtsgrundlage</strong> § 3 Abs. 2 BierStG 1993
<br /><strong>Status / Befristung</strong> unbefristet
<br /><strong>Finanzielles Volumen (Schätzung, Mio €)</strong> 2007: 1, 2008: 1, 2009: 1, 2010: 1
<br /><strong>Finanzierungsschlüssel:</strong> Land: 100%
<br /><strong>Art der Subvention</strong> Sonstige Hilfen für private Haushalte, die mittelbar Betriebe und Wirtschaftszweige begünstigen
<br /><strong>Maßnahme</strong> vgl. Bezeichnung der Steuervergünstigung
<br /><strong>Degression</strong> Eine Degression ist nicht vorgesehen, da das Ziel der Maßnahme fortbestehen soll.
<br /><strong>Evaluierung</strong> Die Vorschläge der MP Koch und Steinbrück von 2003 bewerten die mit dieser Subvention verbundenenen Steuermindereinnahmen als “Marginalie” und sehen deshalb keinen Abbau vor. Auf eine Evaluierung kann daher verzichtet werden.
<br /><strong>Ausblick</strong> Die Steuervergünstigung beruht seit 1993 auf EU-Recht (Verbrauchsteuerharmonisierung) und kann deshalb nicht in eine Finanzhilfe umgewandelt werden.</p></blockquote>
<p>Zugegeben, das Volumen ist nicht sonderlich groß im Vergleich zu den Gesamteinnahmen. Es scheint mir doch aber im Hinblick auf eine Systemvereinfachung symptomatisch zu sein, dass die vielen kleinen Einzelmaßnahmen und Aspekte ständig <em>nicht</em> angefasst werden. Und abgesehen vom Volumen lässt sich natürlich schon die Frage stellen, ob die Brauereimitarbeiter in dieser Hinsicht gefördert werden sollten, also ob das überhaupt ein legitimes Ziel ist. Und wenn, warum beispielsweise Arbeitnehmer anderer Branchen, in denen es bspw. auch Verbrauchsteuern gibt, nicht in gleicher weise gefördert werden sollten. Nach kurzem Innehalten hört man schon das Rauschen, das sich bei jeder Subventionsdiskussion in den Zeitungen niederschlägt, warum nun genau der <em>Haustrunk</em> als Steuervergünstigung auf gar keinen Fall angefasst werden darf. Wie gesagt, es geht nicht um die Einzelmaßnahme, sondern um das willkürliche Herausgreifen <em>einer</em> Vergünstigung und des Umgangs der Bundesregierung hiermit.</p>
<p>Vielleicht ist das aber auch eine ganz neue Erkenntnis, also blättere ich einmal in den 21. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestag-Drucksache 16/6275). Auf Seite 242 findet sich dann ein vollkommen identischer Eintrag. Abschließend ist hierzu bemerkenswert, dass die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück mit ihrer Entscheidung, es handele sich um eine Marginalie, eine Evaluierung unnötig machen.</p>
<p>Bis zum 20. Subventionsbericht hat die Bundesrgierung anstelle der heute üblichen Evaluierungsergebnisse noch einzelne Stellungnahmen zu Subventionen und Steuervergünstigungen abgegeben. Diese lautet zum <em>Haustrunk</em> auf Seite 230 des 20. Subventionsberichts (Bundestag-Drucksache 16/1020):</p>
<blockquote>
<p>"<strong>Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung</strong> 1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
<br /> <strong>Befristung</strong> unbefristet
<br /> <strong>Stellungnahme</strong> Gründe bestehen vorerst fort."</p></blockquote>
<p>Man kann sich ja nun einmal den Spaß machen und nachsehen, ob irgendwann eine andere Stellungnahme vorlag oder ob die bestehende nur via Copy&Paste vorgetragen wurde. Man ahnt das Ergebnis:</p>
<ul>
<li>Aus dem 19. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 15/1635), Seite 243:
<br /> "<strong>Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung</strong>
<br /> 1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
<br /> <strong>Befristung</strong>
<br /> unbefristet
<br /> <strong>Stellungnahme</strong>
<br /> Gründe bestehen vorerst fort."</li>
<li>Aus dem 18. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 14/6748), Seite 241:
<br /> "<strong>Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung</strong>
<br /> 1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
<br /> <strong>Befristung</strong>
<br /> unbefristet
<br /> <strong>Stellungnahme</strong>
<br /> Gründe bestehen vorerst fort."</li>
<li>Aus dem 17. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 14/1500), Seite 164:
<br /> "<strong>Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung</strong>
<br /> 1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
<br /> <strong>Befristung</strong>
<br /> unbefristet
<br /> <strong>Stellungnahme</strong>
<br /> Gründe bestehen vorerst fort."</li></ul>
<p>An dieser Stelle brach ich meine Recherche ab und warte nun umgekehrt, wieviele Jahre die “Marginalie” via Copy&Paste in die folgenden Berichte übertragen wird.</p>Einmaligkeit und Alternativlosigkeit als politische Kategorienurn:https-www-dbrunner-de:-blog-2010-06-22-einmaligkeit-und-alternativlosigkeit-als-politische-kategorien2010-06-22T10:25:00Z2010-06-22T10:25:00ZDaniel Brunner
<p>In die aktuellen politischen Debatten schleichen sich zwei offenkundig neue Lieblingsvokabeln der politischen Akteure: Die “Einmaligkeit” von Ereignissen und die “Alternativlosigkeit” ihrer Entscheidungen. Beide sollen dem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen und eine gute Begründung für das eigene Handeln darstellen. Seien es Bankenrettungsschirme, Euro-Länder-Rettungsschirme oder Sparpakete. Immer ist von einmaligen Ereignissen und fehlenden Alternativen die Rede.</p>
<p>So sprach der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktionen im Bundestag, Peter Altmeier, am <a href="http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1204454/">16. Juni 2010 im Deutschlandfunk</a>:</p>
<blockquote>
<p>“Wir haben mit die größte Sparanstrengung seit über 40 Jahren zu bewältigen. Es gab seit der deutschen Einheit keine derartige Problemfülle, die von der Politik bewältigt werden musste.”</p></blockquote>
<p>Ähnlich äußerte sich einen Tag früher der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, im <a href="http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1203633/">Deutschlandfunk</a>:</p>
<blockquote>
<p>“Wir müssen uns Fragen in der Sache stellen, die nicht gekannte Dimensionen haben.”</p></blockquote>
<p>Mit der oben skizzierten Einmaligkeit und den vermeintlich außerordentlich großen Problemen soll dem Höhrer klar gemacht werden, dass Lösungen unglaublich schwer zu finden seien und man doch für den Umgang der Koalitionäre (“Gurkentruppe”, “Wildsau”, “Rumpelstilzchen”, um die Vokabeln des Vorsommer-Sommerlochs zu wiederholen) und den Ergebnissen Verständnis haben müsse.</p>
<p>Wenn dann eine Entscheidung gefunden wurde, dann ist es doch wiederum eine Nicht-Entscheidung; denn es gab ja angeblich keine Alternativen. Es war “alternativlos”, das Rettungspaket für Euro und Griechenland zu schnüren. TINA (there is no alternative) greift um sich; ein Umstand auf den Heribert Prantl <a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/fuehrung-fall-merkel-fuer-angie-kommt-tina-1.944947">in der Süddeutschen Zeitung</a> pointiert aufmerksam gemacht hat.</p>
<p>Kurzum, die Herausforderungen sind einmalig, nie gekannt, von nie erlebter Komplexität und Schwierigkeit und die Lösungen dann schlussendlich auch noch ohne Alternativen. Politik ist doch eigentlich die Diskussion und das Ringen um die Wahl aus verschiedenen Alternativen. Werden solche Alternativen negiert, wird Politik ihres Kerns beraubt. Dies ist um so kritischer, als die alternativlosen Lösungen in der Regel nicht aus der Mitte des Parlaments aufs Tapet kommen, sondern es ist häufig die Exekutive in Gestalt der EU-Regierungen, in Gestalt der Bundesregierung, in Gestalt von Ministerkonferenzen der Bundesländer, die es den jeweiligen Parlamenten schwer und einfach zugleich macht: Schwer, weil das Parlament nicht mehr um die beste Lösung ringen darf und einfach, weil man die Verantwortung bei der Regierung belassen kann und Rettungspakete eben wie gewünscht durchwinkt. Es gab ja auch keine Alternative.</p>Ein Beispiel für verschwurbelte Texte aus dem Koalitionsvertragurn:https-www-dbrunner-de:-blog-2010-03-27-ein-beispiel-fu-CC-88r-verschwurbelte-texte-aus-dem-koalitionsvertrag2010-03-27T14:03:00Z2010-03-27T14:03:00ZDaniel Brunner
<p>Ich hatte ihn mir schon recht früher heruntergeladen, den Koalitionsvertrag von CDU/CSU/FDP zur 17. Legislaturperiode <sup><a href="#2010-03-27-ein-beispiel-fr-verschwurbelte-texte-aus-dem-koalitionsvertrag-footnote-1-definition" name="2010-03-27-ein-beispiel-fr-verschwurbelte-texte-aus-dem-koalitionsvertrag-footnote-1-return">1</a></sup>, aber erst nach der Sendung “Querköpfe” im DLF (gesendet am 27. Januar 2010) mit und über <a href="http://www.venske.de">Henning Venske</a>, habe ich mir dann doch einmal die Mühe gemacht, das PDF-File zu öffnen. Unsere gewählten Vertreter schmettern uns als erste Sätze folgende Ouvertüre entgegen:</p>
<blockquote>
<p>“Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen. Wir wollen unserem Land eine neue Richtung geben. Freiheit zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte. Wir führen Deutschland in Bildung, Wissenschaft und Forschung an die Weltspitze, um kommenden Generationen ein Leben in Wohlstand, Gerechtigkeit und Sicherheit zu ermöglichen. So wollen wir mit neuem Denken die Zukunft gestalten.”</p></blockquote>
<p>Lebendiges Deutsch schaut anders aus, aber gut. Ich identifiziere in den ersten drei Sätzen folgende Verben: “stellen … entgegen”, “wollen … Richtung geben” und "…ist…"; soweit so umständlich. Aber ist den Autoren aufgefallen, wie hohl und hölzern ihre Begriffe sind? Wie kann “Freiheit zur Verantwortung” ein “Kompass” darstellen? Wie muss man sich dies vorstellen? Vor allem, wie soll denn aus dieser angeblichen Orientierung das Land eine neue Richtung erhalten?</p>
<p>Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, als hätten die Autoren doch noch ein bisschen viel Opel-Krise im Hinterkopf gehabt: Lautete nicht deren Werbespruch über Jahre “Frisches Denken für bessere Autos”? Da klingt doch “mit neuem Denken die Zukunft gestalten” ähnlich werbephrasenhaft.</p>
<p>Jedenfalls, wir sollten uns bei jeder Zeitungsnachricht über die Koalition (und oft berichtete Dissonanzen) daran erinnern: "<em>Freiheit</em> <em>zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte.</em>" Wenn das mal nicht in Orientierungslosigkeit endet…</p>
<div class="footnotes">
<ol>
<li id="2010-03-27-ein-beispiel-fr-verschwurbelte-texte-aus-dem-koalitionsvertrag-footnote-1-definition" class="footnote-definition">
<p>Hier eine Quelle von der Homepage der CDU: <a href="http://www.cdu.de/portal2009/29145.htm">http://www.cdu.de/portal2009/29145.htm</a> <a href="#2010-03-27-ein-beispiel-fr-verschwurbelte-texte-aus-dem-koalitionsvertrag-footnote-1-return">↩</a></p></li></ol></div>