Warten auf den technischen Fortschritt als politisches Prinzip?
Am 12. November 2014 sendete der Deutschlandfunk in der Reihe “Hintergrund” einen Bericht über die energetische Sanierung mit Wärmedämmverbundsystemen.
Zu der Diskussion wollte sich die zuständige Bundesministerin Barbara Hendricks nicht äußern, das Thema sei nur ein Randthema und sie habe andere Prioritäten. Sehr interessant waren dafür dann die Meinungen des sie vertretenden Staatssekretärs Gunther Adler.
In diesem Blogpost will ich auf einen Aspekt des Berichts eingehen. Es sei wohl so, dass die Entsorgung von Wärmedämmverbundsystemen (also im Wesentlichen auf verschiedene Arten behandeltes Polystyrol) schwierig ist. So wird gesagt:
“Das große Problem ist gerade bei der Polystyrol-Dämmung, dass die Lebenserwartung der Dämmplatten relativ gering ist. Man geht davon aus, dass sie 20 oder 30 Jahre an der Fassade bleiben können, dann ersetzt werden müssen.”
Über die Entsorgung wurde gesagt:
“Das Dämmmaterial Polystyrol darf nicht auf die Mülldeponie, unter anderem wegen der erwähnten Flammschutzmittel. Das Material soll in Müllverbrennungsanlagen vernichtet werden, …”
Auf diese Thematik angesprochen, entgegnete der Staatssekretär unter anderem:
"… da gibt es berechtigte Fragen, da gibt es auch nichts unter den Tisch zu kehren. Da gibt es im Moment noch Forschungsbedarf."
Die DLF-Redakteure wiesen hier jedoch darauf hin, dass das Material seit Langem eingesetzt würde. In den vergangenen 35 Jahren seien 900 Millionen Quadratmeter Wärmedämmverbundsysteme verbaut worden, davon 80 Prozent mit Polystyrol. Hierauf der Staatssekretär:
“Wenn wir da schon heute die Forschung anlaufen lassen und fragen, was passiert eigentlich in 30 oder 40 oder 50 Jahren, wenn das dann mal in die Müllverbrennungsanlage geht, da sollten wir doch offen für technischen Fortschritt in Deutschland sein, dass es unserer Industrie und unserer Forschung gelingen wird, beispielsweise Filteranlagen zu entwickeln, die wirklich garantieren, dass hundert Prozent aller Schadstoffe abgefangen werden.”
Ich fasse zusammen: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unterstützt offen das Inverkehrbringen von Stoffen, deren Entsorgung zumindest “offene Fragen” und “Forschungsbedarf” bringt und das Ministerium findet, der technische Fortschritt wird es schon richten. Kurzum, es gilt das Prinzip “Hoffnung auf die Zukunft” und die Last, sich die Entsorgung zu überlegen, bürdet man den nachfolgenden Generationen auf.
Wo sind in diesem Zusammenhang eigentlich die ganzen Papiere und politischen Ansätze zu Nachhaltigkeit, Verantwortung, Schutz zukünftiger Generationen geblieben? Im Übrigen widerspricht die Haltung auch dem vom Bauministerium selbst herausgegebenen Leitfaden Nachhaltiges Bauen 2013, in dem besonderer Wert auf den Lebenszyklus von Gebäuden auch unter dem Gesichtspunkt der Entsorgung von Materialen gelegt wird.
Wenn schon das Thema “Wärmedämmverbundsysteme” nicht die Priorität der Bundesministerin hat, so muss sie sich fragen lassen, ob gerade im Umwelt- und Bauressort das Prinzip “Hoffnung auf die Zukunft” Leitlinie ihrer Politik ist.