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Bilanzfehler oder nicht Bilanzfehler

:: Wirtschaft

Der medialen Aufmerksamkeit (zum Beispiel bei der ZEIT) um einen vermeintlichen Rechen- oder Bilanzierungsfehler bei der Bad Bank der Hypo Real Estate mit dem zauberhaften Namen "FMS Wertmanagement 1 stand ich schon immer etwas skeptisch gegenüber.

Nach einem Gespräch mit einem Bekannten mit Branchenkenntnis scheint die neuere Darstellung in der ZEIT der Wirklichkeit am nächsten zu kommen (von der dort unterstellten Absicht vielleicht einmal abgesehen).

Sehr stark vereinfacht ist wohl Folgendes passiert: Geht eine Bank Geschäfte und Gegengeschäfte mit einer anderen Bank ein, so schließen die Banken untereinander in der Regel sogenannte Netting-Vereinbarungen. Diese stellen sicher, dass im Insolvenzfall des Geschäftspartners nur der Saldo bestimmter Geschäfte wirksam wird. Im anderen Fall würden die Forderungen in die Insolvenzmasse fließen und die Verbindlichkeiten müssten weiter bedient werden. Dies würde ein sehr hohes Risiko bedeuten, und um dies zu reduzieren schließen Banken untereinander Netting-Vereinbarungen ab. Die Saldierung im Insolvenzfall ist an einen Reihe von Bedingungen geknüpft wie gleichartiges Geschäft, gleiche Währung, gleicher Geschäftspartner etc. Für die Bilanzierung dieser Geschäfte hat die Bank nach dem deutschen Bilanzierungsrecht des Handelsgesetzbuches nun zwei Möglichkeiten: (1) Grundsätzlich sind Forderungen und Verbindlichkeiten getrennt auszuweisen; (2) die Bank darf allerdings bestimmte “Pakete” saldiert ausweisen.

Folglich war die erste FMS Wertmanagement-Bilanz richtig und die zweite wohl ebenso. Denn es bestand ein Bilanzierungswahlrecht hinsichtlich der Saldierung der Positionen. 2

Die ganze Aufregung ist nun eigentlich nur dem Umstand geschuldet, dass für den deutschen Schuldenstand aus der FMS Wertmanagement-Bilanz nur die Passivpositionen an die EU gemeldet werden. Dies ergibt natürlich (Netting hin oder Netting her) ein krudes Bild, da in einer Bankbilanz den Passivpositionen natürlich auch immer Aktivpositionen gegenüberstehen. Das reine Melden von Passivgeschäften wird also bei einer Bankbilanz immer ein schiefes Bild auf den Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland werfen. Oder anders herum: Die Integration von Bankbilanzen in das Rechnungswesen öffentlicher Haushalte ist schwierig bis unmöglich.

  1. Beim Neusprech-Blog gibt es zum Namen eine schöne Analyse. 

  2. Auf Feinheiten wie Bilanzkontinuität und die Erläuterung der Ansätze im Anhang gehe ich hier aus Vereinfachungsgründen nicht ein. 

Referendum in Griechenland

:: Wirtschaft

Der griechische Ministerpräsident hat angekündigt, dass er das griechische Volk in einem Referendum über die Sparanstrengungen zur Bewältigung der griechischen Staatsschuldenkrise abstimmen lassen möchte. In der Folge gerät die europäische Politik und die Finanzmärkte in helle Aufregung und ein weiterer Krisengipfel jagt den bereits hinter uns liegenden.

Warum eigentlich diese Aufregung? Zum Ausgangspunkt der aktuellen Krise befand sich Griechenland kurz zusammengefasst in folgender Situation: Die Schulden des Landes standen in einem nicht mehr vertretbaren Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes, der Schuldendienst schien auf absehbare Zeit nicht mehr leistbar. Zugleich war das institutionelle Gefüge verkrustet und benötigte dringend Reformen.

Nachdem aufgrund der Mitgliedschaft im Euro-Raum eine Anpassung über den Wechselkurs nicht in Frage kam, gab es im Grunde zwei Alternativen: (1) Sofort und unmittelbar den Schuldendienst einzuschränken und sich mit den staatlichen und privaten Gläubigern zu einigen. Dabei wurde wahrscheinlich diese Alternative angesichts des Beispiels Argentinien als wenig attraktiv angesehen. (2) Gemeinsam mit den europäischen Partnern Reformen anzugehen.

Reformen bedeuten dabei, wie auch beobachtbar, einen massiven Sparkurs, der sich letztlich bei den Einkommen der Bürger niederschlägt. Dieser Kurs würde zu sozialen Spannungen bis hin zu sozialen Verwerfungen führen.

Nun mag man sich die Entscheidungssituation wie folgt vorstellen: Mit der Einbindung der europäischen Partner über das Vehikel EFSF (soweit ich das verstanden habe) kommen diese selbst in einem “Insolvenzfall” Griechenlands nicht mehr so leicht aus ihrer Hilfe heraus, mit den eingeleiteten Sparreformen können als sinnvoll erachtete Reformen angestoßen werden, für die sich in normalen Situationen ggf. gar keine Mehrheit finden ließe. Und falls sämtliche Bemühungen nicht ausreichen oder die sozialen und politischen Spannungen zu groß werden, kann man immer noch die Hände heben und sagen: “Wir haben alles versucht, wir können nicht mehr.”

Die Variante (2) erscheint für mich aus Sicht der griechischen Regierung als die deutlich bessere Alternative und dann ist das Verhalten Papandreous meines Erachtens doch nur folgerichtig.

EU will Länderratings verbieten

:: Wirtschaft

Da lese ich gerade in der FTD, dass die EU überlegt, Ratingagenturen zu verbieten, Urteile über kriselnde EU-Länder zu veröffentlichen. Ist das überhaupt die richtige Fragestellung?

So richtig klar ist mir das nämlich nicht: Haben nicht die gleichen Politiker immer auf eine stärkere Kapitalmarktorientierung gedrängt? Haben wir mit Basel II und anderen Maßnahmen nicht die kapitalmarktorientierten Eigenkapitalunterlegungsvorschriften erhalten? Ausgehend vom Rating eines Schulderns sollte doch das notwendige Eigenkapital bestimmt und in der Folge der Kredit passend bepreist werden. Mit dem Effekt, dass dem kriselnden Häuslebauer die Banken mit Verstärkung von Sicherheiten um die Ecke kommen, mit dem Effekt, dass dem kriselnden Mittelständler die Banken die Zinsen nach oben anpassen und mehr Sicherheiten verlangen. Wenn nun Staaten kriseln, dann soll noch nicht mal der von der Politik vorgesehene Mittler, die Ratingagenturen, ihre Zweifel an der Rückzahlungsfähigkeit äußern dürfen?

Wie kann man die Finanzmärkte in einer bestimmten Weise regulieren und dann über das eigentlich gewollte Ergebnis erstaunt sein?

Vorsicht vor den Marginalien bei Steuervereinfachung und Subventionsabbau!

:: Politik, Wirtschaft

Eine These vorab:

Unser deutsches Steuersystem ist komplex, es gibt eine Vielzahl von Ausnahme- und Sondertatbeständen. Subventionen und Steuervergünstigungen haben um sich gegriffen. Insgesamt würde dem Steuersystem eine Vereinfachung und ein Kürzen von Subventionen und Steuererleichterungen helfen.

Der These können sicherlich viele Bürger zustimmen. Zugegeben, bei der Ausgestaltung und dem Abbau von Subventionen und Steuererleichterungen würde es Diskussionen und Aufschreien der Betroffenen geben. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich einmal, einen Blick in die regelmäßig erscheinenden Subventionsberichte der Bundesregierung zu werfen; allein schon deshalb, um herauszufinden, was aus Sicht der Regierung hier alles als Subvention und Steuererleichterung gilt und welchen Umfang dies ausmacht. Zu beachten ist, dass sich bereits schon an der Frage, was als Steuererleichterung und was als Subvention gilt, Diskussion entzündet. Aber bleiben wir einmal beim Selbstbild der Bundesregierung. Als Bundestagsdrucksache 17/465 hat die Bundesregierung am 15. Januar 2010 dem Bundestag ihren 22. Subventionsbericht für die Jahre 2007 bis 2010 vorgelegt, immerhin ein Konvolut aus 296 Seiten. Ich möchte im folgenden einmal eine besonders kautzige Steuervergünstigung herausgreifen: Nach § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes ist der Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt, von der Biersteuer befreit. Soweit, so sonderbar. Auf Seite 230 findet sich hierzu ein “Datenblatt” (bis zum 20. Subventionsbericht hieß das noch Stellungnahme):

Lfd.-Nr. 51
Bezeichnung der Steuervergünstigung Befreiung für Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt.
Ziel Vergünstigung für Arbeitnehmer
Rechtsgrundlage § 3 Abs. 2 BierStG 1993
Status / Befristung unbefristet
Finanzielles Volumen (Schätzung, Mio €) 2007: 1, 2008: 1, 2009: 1, 2010: 1
Finanzierungsschlüssel: Land: 100%
Art der Subvention Sonstige Hilfen für private Haushalte, die mittelbar Betriebe und Wirtschaftszweige begünstigen
Maßnahme vgl. Bezeichnung der Steuervergünstigung
Degression Eine Degression ist nicht vorgesehen, da das Ziel der Maßnahme fortbestehen soll.
Evaluierung Die Vorschläge der MP Koch und Steinbrück von 2003 bewerten die mit dieser Subvention verbundenenen Steuermindereinnahmen als “Marginalie” und sehen deshalb keinen Abbau vor. Auf eine Evaluierung kann daher verzichtet werden.
Ausblick Die Steuervergünstigung beruht seit 1993 auf EU-Recht (Verbrauchsteuerharmonisierung) und kann deshalb nicht in eine Finanzhilfe umgewandelt werden.

Zugegeben, das Volumen ist nicht sonderlich groß im Vergleich zu den Gesamteinnahmen. Es scheint mir doch aber im Hinblick auf eine Systemvereinfachung symptomatisch zu sein, dass die vielen kleinen Einzelmaßnahmen und Aspekte ständig nicht angefasst werden. Und abgesehen vom Volumen lässt sich natürlich schon die Frage stellen, ob die Brauereimitarbeiter in dieser Hinsicht gefördert werden sollten, also ob das überhaupt ein legitimes Ziel ist. Und wenn, warum beispielsweise Arbeitnehmer anderer Branchen, in denen es bspw. auch Verbrauchsteuern gibt, nicht in gleicher weise gefördert werden sollten. Nach kurzem Innehalten hört man schon das Rauschen, das sich bei jeder Subventionsdiskussion in den Zeitungen niederschlägt, warum nun genau der Haustrunk als Steuervergünstigung auf gar keinen Fall angefasst werden darf. Wie gesagt, es geht nicht um die Einzelmaßnahme, sondern um das willkürliche Herausgreifen einer Vergünstigung und des Umgangs der Bundesregierung hiermit.

Vielleicht ist das aber auch eine ganz neue Erkenntnis, also blättere ich einmal in den 21. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestag-Drucksache 16/6275). Auf Seite 242 findet sich dann ein vollkommen identischer Eintrag. Abschließend ist hierzu bemerkenswert, dass die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück mit ihrer Entscheidung, es handele sich um eine Marginalie, eine Evaluierung unnötig machen.

Bis zum 20. Subventionsbericht hat die Bundesrgierung anstelle der heute üblichen Evaluierungsergebnisse noch einzelne Stellungnahmen zu Subventionen und Steuervergünstigungen abgegeben. Diese lautet zum Haustrunk auf Seite 230 des 20. Subventionsberichts (Bundestag-Drucksache 16/1020):

"Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung 1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
Befristung unbefristet
Stellungnahme Gründe bestehen vorerst fort."

Man kann sich ja nun einmal den Spaß machen und nachsehen, ob irgendwann eine andere Stellungnahme vorlag oder ob die bestehende nur via Copy&Paste vorgetragen wurde. Man ahnt das Ergebnis:

  • Aus dem 19. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 15/1635), Seite 243:
    "Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
    1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
    Befristung
    unbefristet
    Stellungnahme
    Gründe bestehen vorerst fort."
  • Aus dem 18. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 14/6748), Seite 241:
    "Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
    1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
    Befristung
    unbefristet
    Stellungnahme
    Gründe bestehen vorerst fort."
  • Aus dem 17. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 14/1500), Seite 164:
    "Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
    1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
    Befristung
    unbefristet
    Stellungnahme
    Gründe bestehen vorerst fort."

An dieser Stelle brach ich meine Recherche ab und warte nun umgekehrt, wieviele Jahre die “Marginalie” via Copy&Paste in die folgenden Berichte übertragen wird.